Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt – so schützen Sie sich
Gerade in Ballungsgebieten lässt sich eine besonders hohe Nachfrage nach Wohnraum konstatieren. Es ist ganz alltäglich, dass sich eine große Zahl an Interessenten für ein Objekt bewirbt. Der Eigentümer befindet sich dann in der komfortablen Situation, dass er sich die geeignetsten Mieter aussuchen kann. Dabei darf er jedoch keine Personengruppe ausschließen, damit Interessenten keine Diskriminierung bei der Wohnungssuche erfahren. Wo die Benachteiligung beginnt und welche Rechte Betroffene haben, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was bedeutet Diskriminierung eigentlich konkret?
Um sich dem Thema zu nähern, empfiehlt sich zunächst ein Blick auf den Begriff der Diskriminierung. Was konkret darunter zu verstehen ist, beantwortet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Sie verweist auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), in dem von einer Benachteiligung gesprochen wird. Eine solche kann direkt oder indirekt erfolgen.
Direkt bedeutet, dass ein Betroffener im Vergleich zu einer anderen Person eine weniger günstige Behandlung erlebt. Alternativ ist auch von einer offenen oder unmittelbaren Benachteiligung die Rede. Eine direkte Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wäre etwa dann zu beobachten, wenn ein Interessent wegen seines ausländisch klingenden Namens von vornherein eine Absage für die Besichtigung hinnehmen muss, während ein Bewerber, dessen Name eine deutsche Herkunft vermuten lässt, eine Einladung erhält.
Der Fall einer indirekten oder mittelbaren Diskriminierung bei der Wohnungssuche liegt beispielsweise vor, wenn kinderreiche Familien aufgrund einer befürchteten Lärmbelästigung abgelehnt werden. Kann eine Statistik zeigen, dass Menschen einer bestimmten ethnischen Herkunft kinderreicher sind als andere, hätten sie einen Nachteil zu beklagen.
Das Gleichbehandlungsgesetz, aber auch das Grundgesetz (GG) mit seinem Artikel 3, Absatz 3 verbieten eine Diskriminierung nach diesen Merkmalen:
- Religion
- Weltanschauung
- Rasse oder ethnische Herkunft
- Geschlecht
- Behinderung
- Sexuelle Identität
- Alter
Wo beginnt die Benachteiligung auf dem Immobilienmarkt?
Wenngleich durch die Begriffsdefinition recht deutlich wird, was unter Diskriminierung zu verstehen ist, gestaltet es sich dennoch mitunter schwer, sie festzustellen. Nicht immer lässt sie sich erkennen, da sie teilweise im Verborgenen abläuft. Warum der Vermieter seine Entscheidung letztlich für den einen und gegen die anderen Interessenten getroffen hat, erschließt sich zumeist nicht. Dementsprechend ist es denkbar, dass die Betroffenen die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt womöglich selbst gar nicht mitbekommen. Nur sehr selten sind in Exposés oder Inseraten eindeutige, diskriminierende Formulierungen zu finden.
Oftmals erweist es sich zudem als kompliziert, eine Grenze zu ziehen: Wie weit reicht das Recht des Eigentümers, sich für einen geeigneten Mieter zu entscheiden, und wo beginnt die Benachteiligung von Interessenten? Etwas mehr Klarheit schafft ein Überblick über sachliche Ablehnungsgründe, die in Streitfällen auch von Gerichten akzeptiert werden. Eine Absage an einen Interessenten rechtfertigen beispielsweise diese Argumente:
- Eine SCHUFA-Abfrage oder eine Bankauskunft zeigen, dass der Bewerber nicht zahlungsfähig ist.
- Schon das letzte Mietverhältnis war von einem unregelmäßigen Zahlungsverhalten geprägt.
- Der Interessent hat gegen die Vorgaben seines vorigen Mietvertrags verstoßen.
- Verpflichtungen gegenüber dem früheren Vermieter wurden nicht eingehalten oder grob vernachlässigt.
- Der Bewerber plant die Haltung von Haustieren, die für die Wohnung nicht vorgesehen sind.
- Bei der Selbstauskunft wurden zulässige Fragen nicht oder unzureichend beantwortet.
- Es lässt sich keine Einigkeit über die Dauer oder die Höhe der Miete, die Kaution, die Nebenkosten oder Mietsteigerungen erzielen.
- Entgegen der Interessen des Eigentümers strebt der Anwärter eine teilgewerbliche Nutzung der Wohnung an.
- Eine Überbelegung des Mietobjekts ist denkbar.
Der Vermieter, ein von ihm beauftragter Makler oder Hausverwalter – sie alle dürfen keinen Bewerber aufgrund personenbezogener Kriterien benachteiligen. Verschreiben sie sich einer objektiven, unvoreingenommenen Bewertung, lassen sie von vornherein nicht erst den Eindruck einer Diskriminierung entstehen.
Diskriminierung: Wohnungssuche mit Hindernissen
Wer leidet unter der Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt besonders? Das wollte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes herausfinden und hat daher 2020 eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Das Ergebnis: Rund 15 Prozent der Beteiligten, die sich in den letzten 10 Jahren auf Wohnungssuche befanden, bestätigten auf Rassismus basierende Diskriminierungserfahrungen. Konkret heißt das, dass sie entweder wegen ihrer Herkunft aus einem anderen Land oder wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit einen Nachteil erlebten. Primär betroffen sind davon Menschen mit Migrationshintergrund – etwas mehr als ein Drittel von ihnen berichtete von Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt.
Auf gewisse Weise beinhaltet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Schlupflöcher. Geht der zu schließende Mietvertrag mit einem sogenannten „Nähe- und Vertrauensverhältnis“ einher, weil etwa das Zusammenwohnen auf engem Raum vorgesehen ist, greift das Diskriminierungsverbot nicht. Eine ungleiche Behandlung wird zudem gestattet, wenn sie vor dem Hintergrund erfolgt, stabile Bewohnerstrukturen zu schaffen oder zu erhalten. Gleiches gilt für ausgeglichene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse. Weil diese Formulierung viel Interpretationsspielraum lässt, steht diese Passage im Gleichbehandlungsgesetz in der Kritik.
Eine weitere Einschränkung: Zwar ist allen Vermietern eine Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt wegen ethnischer Zugehörigkeit und Rasse untersagt – das Benachteiligungsverbot aufgrund anderer Kriterien wie Religion, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter oder Geschlecht betrifft unterdessen nur sogenannte Massengeschäfte. Davon wird gesprochen, wenn der Vermieter mehr als 50 Wohnungen anbietet. Außerdem berücksichtigt das Verbot nicht alle Ursachen von Diskriminierung. Nicht davon eingeschlossen sind etwa die Einkommensverhältnisse oder die soziale Herkunft des Mietinteressenten.
Was Betroffene bei Diskriminierung durch Vermieter tun können
Erfährt ein Wohnungssuchender eine Ungleichbehandlung, hat er zwar dadurch nicht automatisch einen Anspruch auf das angefragte Objekt, rechtliche Möglichkeiten allerdings schon. Diese können sich gegen den Vermieter selbst oder die von ihm eingesetzten Vertreter wie Makler und Verwalter richten. Der Betroffene muss zunächst in der Lage sein, den entsprechenden Verstoß zu belegen.
Gelingt es dem Eigentümer oder seinem Bevollmächtigten nicht, den Vorwurf zu entkräften, darf der Benachteiligte je nach den konkreten Umständen folgende Forderungen stellen:
- Aufhebung der Benachteiligung
- Unterlassung, falls weitere Diskriminierungen zu erwarten sind
- Schadensersatz für vergeblich getätigte Ausgaben, wie z. B. Fahrtkosten
- Schmerzensgeld bei diskriminierenden Äußerungen, die ihn in seiner Menschenwürde verletzt haben
In aller Regel beträgt die Frist für den Betroffenen 2 Monate, um die Verstöße geltend zu machen. Diese Dauer lässt sich verlängern, wenn der Kläger unverschuldet daran gehindert wurde, rechtzeitig zu handeln. Schadensersatzansprüche wegen eines unerlaubten Verhaltens des Eigentümers oder seines Vertreters unterliegen einer Frist von 3 Jahren.
Wie können Wohnungssuchende nachweisen, dass sie Diskriminierung durch Vermieter erfahren? Die nachstehenden Hinweise bieten eine Orientierung:
- Gedächtnisprotokolle von Telefonaten oder Gesprächen erstellen
- Wohnungsinserat und Schriftverkehr mit dem Vermieter aufbewahren
- Vertrauensperson bitten, an einem Besichtigungstermin teilzunehmen
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes kontaktieren zwecks kostenfreier rechtlicher Einschätzung
Beispiele aus der Praxis zeigen: Diskriminierte haben rechtliche Möglichkeiten
Leider kommt es immer wieder zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Betroffene sollten jedoch nicht resignieren. Dass sie nicht hilflos sind, sondern sich juristischer Mittel bedienen können, verdeutlichen die in der Folge gezeigten Beispiele.
So bewarb sich ein türkischstämmiger Interessent mehrmals bei einem Berliner Wohnunternehmen wegen eines Mietobjekts. Der wohnungssuchende Diplom-Wirtschaftsingenieur vermutete, dass ihm aufgrund seines ausländischen Namens Absagen erteilt wurden. Daraufhin verfasste er die gleiche Bewerbung noch einmal unter dem Alias Michael Grünberg. Und tatsächlich: Sofort erhielt er eine Einladung für einen Besichtigungstermin.
Der Mietinteressent mit türkischen Wurzeln suchte auch das Büro des Unternehmens auf, um dort seine Unterlagen einzureichen. Ihm wurde gleich vor Ort mitgeteilt, dass das gewünschte Objekt schon vergeben sei. Der von der Diskriminierung bei der Wohnungssuche Betroffene bat einen Kollegen, sich als Michael Grünberg telefonisch zu erkundigen – für ihn war die Wohnung noch verfügbar.
Ein solcher Versuch trägt die Bezeichnung „reaktives Testing“. Es eignet sich, um die Ungleichbehandlung glaubhaft nachzuweisen, und wird zumeist auch von Gerichten anerkannt. In diesem konkreten Fall sah das Urteil für die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt eine Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro vor, die das Unternehmen an den Betroffenen zu zahlen hatte.
Ein anderer Sachverhalt ereignete sich in Augsburg. Ein Vermieter veröffentlichte eine Anzeige, in der er explizit erwähnte, dass er die Wohnung nur an Deutsche vergeben werde. Trotzdem meldete sich telefonisch ein Interessent, der ursprünglich aus Burkina Faso stammte. Der Eigentümer legte auf, als er registrierte, dass der Bewerber einen Migrationshintergrund hat. Da er sich gegen die Diskriminierung durch den Vermieter wehren wollte, klagte der Wohnungssuchende.
Der 81-jährige Eigentümer begründete sein Verhalten mit negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass dies nicht gerechtfertigt sei, und verurteilte den Vermieter zu einer Entschädigung von 1.000 Euro. Damit ging eine Unterlassung einher. Sie verpflichtete ihn dazu, derartige Formulierungen künftig nicht mehr zu verwenden.
Fazit: Gesetz schützt vor Diskriminierung, aber nicht uneingeschränkt
Diskriminierung bei der Wohnungssuche kann viele Gesichter haben. Besonders häufig müssen sie Menschen mit Migrationshintergrund erleben. Eine repräsentative Umfrage belegt diesen Umstand. Genau vor einer solchen Benachteiligung, die wegen der ethnischen Zugehörigkeit oder der Herkunft erfolgt, schützt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz uneingeschränkt. Zwar mag das der am häufigsten auftretende Auslöser für eine Benachteiligung sein, jedoch längst nicht der einzige.
Zu Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt kommt es etwa auch wegen Merkmalen wie dem Geschlecht, der Weltanschauung oder einer körperlichen Beeinträchtigung. Geahndet wird das aber nur bei Anbietern, die mindestens 50 Wohnungen vermieten. Zudem sind andere Kriterien wie der soziale Status gar nicht erst davon eingeschlossen. Findet das Gesetz allerdings Anwendung, haben Urteile aus der Vergangenheit gezeigt: Für Menschen, die eine Benachteiligung auf dem Wohnungsmarkt erfahren, stellt das Gesetz eine wirksame Handhabe dar.
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