Abschichtungsvereinbarung: Wie kann ich eine Erbengemeinschaft verlassen?

In Erbengemeinschaften kommt es nicht selten zu Unstimmigkeiten – vor allem wenn es um das Schicksal einer gemeinschaftlich geerbten Immobilie geht. Doch es gilt: Die Erbengemeinschaft kann nur gemeinsam entscheiden. Wenn ein Erbe das Geld jedoch dringend benötigt, kann eine sogenannte Abschichtungsvereinbarung die Lösung sein. Hierbei tritt der Erbe freiwillig aus der Erbengemeinschaft aus und erhält dafür im Gegenzug meist eine Abfindung von den Miterben.

Was ist eine Abschichtungsvereinbarung?

Ein Mann unterzeichnet eine Abschichtungsvereinbarung

Wenn es mehrere Erben gibt, bilden diese automatisch eine sogenannte Erbengemeinschaft. Diese muss den Nachlass entweder gemeinsam verwalten oder ihn im Rahmen einer Erbauseinandersetzung aufteilen. Gerade wenn der Nachlass auch Immobilien umfasst, kann dies mitunter mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Doch Erben müssen nicht zwingend in der Erbengemeinschaft bleiben: Durch eine Abschichtungsvereinbarung können Sie die Mitgliedschaft freiwillig aufgeben. Ihr Erbteil geht dann im Rahmen der sogenannten Anwachsung automatisch auf Ihre Miterben über, weshalb die Abschichtung meist mit einer Abfindung für den ausscheidenden Erben verknüpft ist.

Sind Sie etwa einer von 2 Erben und entscheiden Sie sich für die Abschichtungsvereinbarung, so wird Ihr Miterbe dadurch automatisch zum Alleinerben. Lange Zeit war die Abschichtung rechtlich umstritten, da sie gesetzlich eigentlich nicht vorgesehen ist. Entsprechend findet sich der Begriff auch nicht in den deutschen Gesetzbüchern. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied jedoch im Jahr 1998, dass Erben die Gemeinschaft durchaus freiwillig verlassen können, und gab der Abschichtung dadurch grünes Licht (Az. IV ZR 346/96).

Wann ist eine Abschichtungsvereinbarung sinnvoll?

Während sich Barvermögen oder Aktien noch verhältnismäßig einfach aufteilen lassen, wird dies bei Immobilien meist schwieriger. Oft sind sich die Erben nicht einig darüber, was mit der Immobilie geschehen soll.

Ein Beispiel: 3 Söhne erben jeweils ein Drittel des Familienheims. Der erste Sohn strebt einen schnellen Verkauf an, um mit dem Erlös den eigenen Immobilienkredit zu tilgen. Der zweite Sohn ist nicht dringend auf das Geld angewiesen und möchte das Haus zunächst sanieren, um später einen höheren Verkaufspreis zu erzielen. Der dritte Sohn hängt emotional am Familienheim und würde gern selbst einziehen, kann die beiden Miterben jedoch nicht auszahlen. Ein langwieriger Streit ist bei dieser Konstellation vorprogrammiert.

In dieser Situation könnte die Abschichtung für den ersten Sohn durchaus Vorteile mit sich bringen. Er kann mit seinen Miterben eine angemessene Abfindung aushandeln, die es ihm erlaubt, den Immobilienkredit zeitnah zu tilgen und so weitere Zinszahlungen zu umgehen. Die beiden anderen Söhne würden dadurch jeweils die Hälfte am Familienheim besitzen und können mit etwas Glück schneller einen geeigneten Kompromiss untereinander aushandeln.

Welche Risiken gehen mit der Abschichtung aus der Erbengemeinschaft einher?

Eine Abschichtungsvereinbarung sollten Sie nicht voreilig unterzeichnen, auch wenn die Aussicht auf eine Abfindung vielleicht verlockend erscheint. Das freiwillige Verlassen der Erbengemeinschaft geht auch mit Risiken einher, die Sie nicht unterschätzen sollten.

Haftung

Die Abschichtung ist eine Vereinbarung, die rein rechtlich gesehen nur im Innenverhältnis zwischen den Erben wirksam ist. Das bedeutet für Sie, dass Sie Dritten gegenüber weiterhin haften. Hat der Erblasser etwa Schulden hinterlassen, so können die Gläubiger sich mit ihren Ansprüchen weiterhin an Sie wenden. Dass Sie sich mit Ihren Miterben auf eine Abschichtung geeinigt haben, spielt für externe Dritte keine Rolle. Sie können dies jedoch verhindern, indem Sie mit den Gläubigern eine vertragliche Haftungsfreistellung ausmachen. Alternativ können Sie die Befreiung von der Haftung auch mit Ihren Miterben vereinbaren und die Regelung direkt in den Abschichtungsvertrag aufnehmen lassen.

Höhe der Abfindung

Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung haben Sie bei der Abschichtung nicht. Dennoch ist sie gang und gäbe, da wohl kaum ein Erbe ohne finanziellen Ausgleich auf den eigenen Erbanteil verzichtet. Wie hoch diese ausfällt, hängt jedoch maßgeblich von Ihrem Verhandlungsgeschick ab. Ihren Miterben wird bewusst sein, dass Sie das Geld dringend benötigen und deshalb die Abschichtung anstreben. Das Wissen über diese Zwangslage kann dazu führen, dass die Angebote eher niedrig ausfallen. Darüber hinaus könnten Ihre Miterben argumentieren, dass diese weiterhin Zeit und Mühe in die Verwaltung des gemeinsamen Nachlasses investieren müssen und dass dies einen Abschlag rechtfertigt. Nur selten erhalten Erben den tatsächlichen Wert des Erbteils als Abfindung.

Wertsteigerung des Erbes

Es kann natürlich auch sein, dass Sie auf Ihren Erbteil verzichten und dieser später massiv an Wert gewinnt. So kann beispielsweise das gemeinschaftlich geerbte Aktiendepot einen plötzlichen Aufwind erfahren. Da Sie mit der Abschichtung jedoch Ihre Rechte aus der Erbengemeinschaft aufgeben, müssten Sie wohl oder übel dabei zusehen, wie Ihre Miterben die Gewinne einstreichen. Sie können nachträglich keinen Ausgleich dafür einfordern.

Ablauf: Wie vereinbare ich eine Abschichtung?

Wenn Sie trotz aller Risiken an einer Abschichtung interessiert sind, so müssen Sie lediglich einen formlosen Vertrag mit Ihren Miterben schließen. Sie müssen dabei keinerlei Formvorgaben einhalten, sollten jedoch darauf achten, dass die Regelung detailliert und unmissverständlich festgehalten wird.

Absichern können Sie sich durch die beiden folgenden Zusatzvereinbarungen:

  • Haftungsfreistellung: Vereinbaren Sie mit Ihren Miterben, dass Sie gegenüber Dritten nicht länger haften.
  • Aufschiebende Bindung: Vereinbaren Sie, dass die Anwachsung (also das Übergehen Ihrer Erbansprüche auf die Miterben) erst erfolgt, nachdem die Abfindung ausgezahlt wurde.

Die Abschichtungsvereinbarung muss nur dann notariell beurkundet sein, wenn Sie Ihre Abfindung in Form von Immobilien, Grundstücken oder GmbH-Anteilen erhalten. Eine notarielle Beglaubigung ist nötig, wenn Sie und Ihre Miterben bereits ins Grundbuch der Nachlassimmobilie eingetragen wurden.

Da in den meisten Fällen kein Notar für eine Abschichtung nötig ist, können Sie die Erbengemeinschaft recht zügig verlassen. Nichtsdestotrotz schadet es nicht, einen Experten hinzuzuziehen und die Vereinbarung eingehend prüfen zu lassen. So können Sie versteckte Fallstricke vermeiden.

Gibt es Alternativen zur Abschichtung?

Die Abschichtung ist schnell und effizient, weshalb sich gerade Erben in Geldnot oft zum Verlassen der Erbengemeinschaft hinreißen lassen. Nichtsdestotrotz sollten Sie sich ein wenig Zeit nehmen und sich auch mit den Alternativen auseinandersetzen.

  • Erbteil verkaufen: Gemäß Paragraf 2033 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) können Sie Ihren Erbteil auch einfach verkaufen. Ihre Miterben haben hierbei zwar ein Vorkaufsrecht, doch grundsätzlich kommt jeder Käufer in Betracht. Unter Umständen können Sie dadurch einen Verkaufserlös erzielen, der die Abfindung bei einer Abschichtung übersteigt. Bedenken Sie jedoch, dass ein Erbteilsübertragungsvertrag nur unter Einbeziehung eines Notars geschlossen werden kann, was höhere Kosten bedeutet.
  • Erbauseinandersetzungsklage: Wenn sich die Erbengemeinschaft schlicht nicht einigen kann oder ein Miterbe alle Ihre anderen Vorschläge blockiert, können Sie auch eine Erbauseinandersetzungsklage einreichen. Hierbei wird der Nachlass von einem Gericht zwangsaufgeteilt, wofür in der Regel Wertgegenstände und Immobilien zunächst zu Geld gemacht werden müssen. Die Erbauseinandersetzungsklage dauert mitunter mehrere Jahre und oft werden Immobilien hierbei unter Wert verkauft. Sie sollten diese Alternative daher nur als letztes Mittel ansehen, zumal eine Klage oft auch ein großes Konfliktpotenzial mit sich bringt und dazu führt, dass die Erben danach getrennte Wege gehen.

Fazit: Abschichtung sollte gut durchdacht sein

Eine Abschichtung bietet sich an, wenn Sie als Miterbe möglichst schnell an das Geld müssen und die reguläre Erbauseinandersetzung nicht abwarten können oder wollen. Auch wenn bereits absehbar ist, dass Unstimmigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft die Auseinandersetzung unnötig in die Länge ziehen, kann eine Abschichtungsvereinbarung sinnvoll sein. Dennoch sollten Sie sich das Ganze gut überlegen, denn das Vorhaben geht auch mit Risiken einher. Achten Sie darauf, sich von der Haftung befreien zu lassen, und versuchen Sie, eine möglichst angemessene Abfindung auszuhandeln. Den Abschichtungsvertrag sollten Sie von einem Experten prüfen lassen, um versteckte Fallstricke zu umschiffen. Nur so gehen Sie sicher, dass Sie das freiwillige Verlassen der Erbengemeinschaft nicht doch irgendwann bereuen.

Bildnachweis: Eduardo Y / Shutterstock.com

Nach oben scrollen